Ein international „besetztes“ „Coworking“-Barcamp in der „Provinz“ Bulgariens. – Das gab es auch dieses Jahr wieder! Ich war als Mitbetreiber des Ammersee Denkerhauses bei der „Coworking Unconference Bansko Bulgaria – #cubb2018“ in dem reizenden Städtchen Bansko im Pirin-Gebirge dabei. Hier ein kurzer Report.
Es mag erstaunlich klingen, aber im Coworking Space Bansko, weit im Süden Bulgariens, treffen sich Digitale Nomaden aus aller Herren Länder. Warum „ausgerechnet dort“, 160 km entfernt von Sofia, fast schon in Griechenland, aber ein gutes Stück weit weg von einer Autobahn? – Wer das Coworking Space besucht und sich in Bansko umschaut, wird es verstehen. Zunächst: Der Ort ist ein – wohl vor allem bei Snowboardern – international anerkanntes Wintersportressort, mit günstigen Angeboten an Pisten, Restaurants, Hotels, auch langfristig zu mietenden Appartements.
Ich habe Bansko dreimal besucht; stets in der schnee- und hitzefreien Nebensaison. Resultat: Ich habe mich in ein tiefenentspanntes Städtchen vor imposanter Berg-Kulisse verliebt, mit einer wunderschönen Altstadt, Lädchen, Restaurants, Hotels und Pensionen, mit einer faszinierenden Umgebung und mit einem phantastischen Coworking-Space.
Es ist kein Schickimicki-Schnickschnack-Space: Hier lässt es sich sehr gut arbeiten (und im Ort angesichts günstiger Immobilienpreise auch bestens „co-liven“) und: Hier gibt es vor allem „echtes“ Coworking; so wie ich es verstehe, liebe und suche. Die Betreiber – Matthias, Uwe und Freunde – sorgen mit Herzblut für ein Wohlgefühl; gemischt aus Willkommensein, Gemeinschaft, Service. Und die dortigen Coworker sind – als „Ankömmlinge in der Fremde“ – ganz offensichtlich an der Community aktiv interessiert. Das ist wohl das Erfolgsgeheimnis, warum man sich im Coworking Space Bansko wie in einer Art Familie fühlen kann, weit weg von Zuhause, trotz ständigem Kommen und Gehen einzelner Nomads…
Dieser Coworking Space also war Treffpunkt der #cubb2018. Coworker aus elf Ländern kamen dort zusammen: aus Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Österreich, Serbien, Spanien, Türkei, Ungarn, USA. Ich traf gute (inzwischen „alte“) Bekannte – Irina, Jürgen, Matthias, Ryan, Serkan (hier sein #cubb2018 BlogPost), Tibet und Uwe – wieder, und lernte interessante Menschen kennen: Anita, Birte, Ivailo, Javier, Martin, Matis, Rémy, Velijko und Zeynep…
Wie es sich für Vollblut-Coworker geziemt, bekamen wir mühelos den Session-Plan voll. Anita (Dr. Anita Füzi, Coworking & Innovation Expert aus Budapest) und Matthias Zeitler (Gastgeber) hatten mit ihren Keynotes interessante Impulse gesetzt.
Anita stellte ihre Forschungsergebnisse zur europäischen Coworking-Szene vor und charakterisierte dabei Freelancer „als die Beschäftigten der Zukunft“, die mobil und ortsunabhängig arbeiten. Diese Arbeitsform führe zu einem wachsenden „Hunger auf Collaboration“, während zugleich der Wohlfühlfaktor an althergebrachten Arbeitsplätzen an Bedeutung gewinne. Communities hätten ihren Mitgliedern bei der Entwicklung ihres Business genauso zu helfen, wie für den Spaß an der Arbeit zu sorgen: In der „Sharing Culture“ als „Caring Culture“ komme den „Coworking Community Managern“ eine besonders große Bedeutung zu.
Als Matthias Zeitler eingangs die Erfolgsgeschichte des Coworking Space Bansko erzählte, brachte er auch interessante „Erfolgskennzahlen“ ins Gespräch. Neben der klassischen „Anzahl Mitglieder“ nannte er „Money contributed by Members to the local Economy“ und „Turning Members into Residents“: das sind relevante Größen, die Bedeutung eines Coworking Spaces etwa gegenüber kommunalen Entscheidungsträgern zu verdeutlichen.
Wir diskutierten in einer Session, welche Kennzahlen für die Steuerung von Coworking Spaces helfen. Anita hatte in ihrem Vortrag u.a. vom „GVA“ (Gross Value Added) gesprochen, einer Kennzahl, die den Beitrag zur Wirtschaft einer Region misst. Matthias hatte ähnliche Indikatoren genannt. Wir waren uns in unserer interessanten Diskussion einig, dass die jeweiligen Kennzahlen unterschiedlich sind und je nach Stakeholder zu bestimmen sind. Während die genannten Indikatoren z.B. für kommunale Entscheider relevant sind, ist ein Erfolg für Nutzer vielleicht mit „Improvement of Member’s Business“, also dem Beitrag des Coworking-Spaces zum Erfolg im „core business“ seines Mitglieds zu messen. Für uns Gründer bzw. Betreiber eines Coworking-Space fiel Matthias sogar noch eine „Personal Happiness Increasing Rate“ ein. Das kann man sicher alles messen, z.B. mit regelmäßigen Befragungen. Hilfreich sind diese Indikatoren allemal, um Kurs zu halten beim Generieren der notwendigen Umsätze und Erlöse. Denn letztlich entscheidet auch beim Coworking das liebe Geld, ob ein Coworking Space erfolgreich ist oder nicht.
Anderthalb Barcamp-Tage vergingen wieder einmal wie im Fluge. Die Session-Themen waren vielfältig, echte Experten teilten bereitwillig ihr Wissen. Es ging wie gesagt um Erfolgsfaktoren und Kennzahlen, um konzeptionelle Fragen (z.B. Wie könnten Nischen-Coworking-Spaces gemacht werden?), um Vermarktung und Vernetzung, um die Rolle der Space Manager etc. Vor allem ging es um Erfahrungsaustausch, um Freundschaft und Zusammenarbeit. Legendär ist bei Bansko-Events auch immer das Rahmenprogramm mit traditionell bulgarischem Abendessen etwa und dem obligartorischen Bad in den romantischen Hot Springs. Mein Highlight: die nächtliche Gitarrenmugge mit dem genialen Tibet in der herrlichen Weinbar 25, wo es sehr viel köstlichen bulgarischen Spitzenwein zu probieren gibt.
Nachklingen werden bei mir vor allem die lebhaft und lustvoll geführten Diskussionen – „Is Coworking a Business? Are we all ‘Social Entrepreneurs’? What is the Value of a Coworking?“ bzw. „Money oriented Coworking space vs. Community oriented Coworking spaces“. Mir helfen sie mich zu motivieren und den Sinn meiner Coworkerei nicht aus den Augen zu verlieren.
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